Sehr geehrte Frau Präsident, werte Kollegen,
Winston Churchill sagte am 11. November 1947 bei einer Rede im Unterhaus: "Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen - abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind."
Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland kannte er damals noch nicht. Dort ist ein demokratischer Rechtsstaat beschrieben der ohne Frage hohen Ansprüchen genügt.
Diese Demokratie gilt es behutsam aber beständig weiterzuentwickeln und zu verbessern.
Das haben wir Liberale immer gefordert und in vielen Anträgen dokumentiert. Hier steht aber heute ein Antrag der Fraktion die Linke zur Beratung der eben nicht den Anforderungen einer positiven Weiterentwicklung standhält.
Es geht hier darum ob und wie wir Volksentscheide auch auf Bundesebene haben wollen. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben sich aus gutem Grund für eine repräsentative Demokratie entschieden.
Man muss die Ergebnisse von Volksbegehren und Volksentscheiden nicht immer mögen, um sich trotzdem für sie einzusetzen.
Darum geht es nämlich nicht. Sicherlich kann man solche Entscheidungen auch kritisch hinterfragen, als Bayer sei mir das heute erlaubt.
Aber das ist für mich kein Grund an der grundsätzlichen Richtigkeit von direkten Elementen in unserem politischen Gemeinwesen zu zweifeln.
Deswegen setzen wir Liberale uns für die Stärkung der direkten Demokratie ein, auf kommunaler Ebene, auf Länderebene, auf Bundesebene, und darüber hinaus auch auf der europäischen Ebene. Das habe ich ja unlängst an dieser Stelle klar dargelegt. Ich freue mich über bürgerliches Engagement und Initiative - besonders in der Politik.
Ich halte mehr plebiszitäre Elemente, eine Fortentwicklung der Demokratie für einen guten und richtigen Prozeß, auch wenn ich mit dem Blick nach Bayern manchmal daran verzweifeln könnte! Trotzdem - nein gerade deswegen bin ich großer Fan der Bürgerbeteiligung in den Ländern. Denken Sie nur daran wie selten die bayerische Verfassung geändert wurde weil nur das Volk diese Möglichkeit hat. Dem Grundgesetz hätte ein solcher Schutz manchmal nicht geschadet.
Die FDP-Fraktion hat ja in der letzten Wahlperiode einen Antrag zum selben Thema eingebracht: Wir wünschen uns, und zwar damals wie heute, dass die Bürger unseres Landes tiefgreifender an politischen Entscheidungen beteiligt werden. Die Bundesrepublik Deutschland ist eine repräsentative Demokatie, daran soll auch in Zukunft kein Zweifel bestehen - und doch wollen wir auch dieses Haus für mehr Bürgerbeteiligung öffnen. Gerade die großen Fragen und die harten Entscheidungen können so durch die Beteiligung in ihrer Legitimation gestärkt werden.
Trotzdem lehne ich, lehnen wir den Antrag der Linken ab. Scheinbar haben Sie nichts dazugelernt seit den Diskussionen in der letzten Legislaturperiode, Ihr Antrag jedenfalls ist weitgehend derselbe. Immer noch sind die Schwellen die Sie anlegen viel zu niedrig. Wir wollen Beteiligung der Bürger, nicht aber die Diktatur durch Minderheiten!
Es muss sichergestellt bleiben, dass auch Volksinitiativen auf ähnlich breiter gesellschaftlicher Basis stehen wie die Entscheidungen dieses Parlamentes. Gleichzeitig darf aber die Hürde für die Beteiligung nicht unmöglich hoch oder abschreckend sein. Die FDP hat sich hier immer für eine Schwelle von 400 000 Unterstützern eingesetzt - dies erscheint mir immer noch eine an-gemessene Höhe zu sein.
Auch das Quorum, das Sie bei der zweiten Stufe, bei den Volksbegehren, anlegen sollte überdacht werden. Eine prozentuale Koppelung an die Ge-samtzahl der Wahlberechtigten erscheint mir deutlich sinnvoller als eine absolute Zahl, die unabhängig von der Entwicklung der Bevölkerungszahlen auf Jahre hinweg im Grundgesetz verankert wird!
Aber es gibt nicht nur inhaltliche Gründe Ihren Antrag abzulehnen, obwohl diese völlig ausreichend wären.
Im Koalitionsvertrag haben sich die Regierungsfraktionen darauf verständigt, die Beteiligung der Bürger über die Reform des Petitionswesens auszubauen.
Dort heisst es: "Wir wollen die Mitwirkungsmöglichkeiten der Bevölkerung an der demokratischen Willensbildung stärken. Dazu werden wir das Petiti-onswesen weiterentwickeln und verbessern. Bei Massenpetitionen werden wir über das im Petitionsausschuss bestehende Anhörungsrecht hinaus eine Behandlung des Anliegens im Plenum des Deutschen Bundestags unter Beteiligung der zuständigen Fachausschüsse vorsehen."
Wir haben im letzten Jahr sehen können welche Dynamik eine solche Peti-tion bekommen kann. Ich selbst habe zusammen mit 134 000 engagierten Bürgern die Petition von Franziska Heine gegen Internetsperren gezeichnet und damit eine breite Debatte über politische Fehlentwicklungen ausgelöst.
Dieses Petitionsrecht wollen wir nun deutlich ausbauen.
Die Umsetzung hat für uns Priorität, weil es die Strukturen dieses Hauses mit einbezieht. Das heißt, dass das Plenum erfolgreiche Massenpetitionen an die zuständigen Ausschüsse überweisen kann, wo dann fachkundige Beratung stattfinden kann.
Wir haben nun seit 5 Jahren das Online-Petitionsverfahren, das die Interak-tion zwischen Bürger und Parlament endlich auf eine zeitgemäße Ebene gehoben hat. Durch die Ausbreitung des Internets stehen wir vor der Ver-wirklichung eines alten Traumes - nämlich der Beteiligung aller gesell-schaftlichen Gruppen am Meinungsbildungsprozess unserer Republik. Durch die öffentlichen Petitionen können wir Schichten erreichen, die der politischen Teilhabe früher ferngestanden sind. Der mündige und informierte Bürger kann seinen Anliegen nun öffentlich Gehör verschaffen und Mißstände anprangern.
Lassen Sie es mich noch einmal klar sagen: Ich bin für eine weitergehende Beteiligung der Bürger an der Politik, auch an Gesetzgebungsverfahren. Ich habe das ja erst in meiner Rede zur Europäischen Bürgerinitiative an dieser Stelle gesagt. Ich halte das für einen sehr interessanten und diskussions-würdigen Ansatz. Lassen Sie uns gemeinsam, Schritt für Schritt, unsere De-mokratie weiterentwickeln. Einen ersten, wichtigen Schritt werden wir nach der Sommerpause mit dem erweiterten Petitionsrecht tun.
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