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2010-04-24

Antrag zum Bundesparteitag

Betr.: Jugendschutz im Internet sinnvoll gestalten, Novelle des Jugendmedienschutzstaatsvertrages (JMStV-E) überarbeiten


Antragsteller: Sebastian Blumenthal MdB, Manuel Höferlin MdB,
Jimmy Schulz MdB


Der Bundesparteitag möge beschließen:

Der aktuelle Entwurf zur Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV-E) in seiner Form vom 12. März 2010 ist abzulehnen. Der Bundesparteitag fordert die Landtagsfraktionen der FDP auf, sich deutlich gegen den Staatsvertrag auszusprechen und eine transparente Diskussion darüber zu fordern, wie der Jugendmedienschutz in Zukunft gestaltet werden kann.
Ein praxistauglicher Jugendschutz im Internet muss dem besonderen Charakter eines globalen, freien und partizipativen Netzwerkes, das sich in seinen technischen und sozialen Strukturen rasant wandelt, gerecht werden. Der aktuelle Entwurf des JMStV kann diese Ansprüche nicht erfüllen.


Zur Begründung:
Die Unterzeichnung des Staatsvertrages ist für den 10. Juni vorgesehen, unmittelbar zum Ende der Antragsfrist des Bundesparteitages tagte die Ministerpräsidentenkonferenz, die den Entwurf der Rheinland-Pfälzischen Staatskanzlei zunächst zur Kenntnis genommen hat. Um einen Staatsvertrag, der den Jugendschutz im Netz auch adäquat und effizient umsetzt auf den Weg zu bringen, müssen jetzt die Weichen gestellt werden, bevor der jetzige Entwurf beschlossen wird.

Der vorliegende JMStV-E wurde weitestgehend hinter verschlossenen Türen verhandelt.
Bedenken, die von Internetnutzern - Konsumenten wie Anbietern von Inhalten - geäußert wurden, haben so nur in geringem Maße Niederschlag in der Novellierung finden können, so dass Vorstellungen darüber, wie Jugendschutz funktionieren soll, aus der bisherigen Gesetzgebung des Rundfunk auf das Medium Internet übertragen wurden. Ein Beispiel dafür sind geplante Sendezeitbegrenzungen für jugendgefährdende Inhalte, die in einem globalen Netzwerk weder wünschenswert sind, noch umsetzbar wären.
Die neuen Regelungen des JMStV sehen eine freiwillige Alterskennzeichnung von Onlineinhalten vor. Dabei wird ein Parallel-System geschaffen, das unter der Ägide der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) Alterskennzeichnungen vorsieht.
Das Problem ist, dass Alterseinstufungen im Internet (anders als z.B. bei DVDs oder Computerspielen im stationären Handel) keine Rechtssicherheit bieten, sondern jederzeit von der KJM oder der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) beanstandet werden können.
Auf Grund des Wegfalls der „14-Jahre-Stufe“ steht zu erwarten, dass es künftig in Einzelfällen in der Praxis zu Unterschieden bezüglich der jugendmedienrechtlichen Altersbewertung und des erlaubten Zugangsalters aufgrund anderer juristischer Erwägungen für ein und dasselbe Angebot kommen wird. Eine Kollision von Datenschutz- mit Jugendmedienschutzrecht wäre hier die Folge. Anbieter von Social Communities, welche die Zustimmung ihrer Nutzer zu einer datenschutzrechtlichen Verarbeitungsklausel benötigen, sind derzeit aus datenschutzrechtlichen Gründen gezwungen, ihr Angebot erst ab 14 Jahren anzubieten. Weitere Anbieter von Social Communities halten aus nachvollziehbaren zivil- und strafrechtlichen Erwägungen ihr Angebot für Nutzer mit einem Mindestalter von 14 Jahren bereit. Der Wegfall dieser Altersstufe im Rahmen des Trennungsgebotes stellt diese Anbieter vor das praktische Problem, dass nunmehr die Inhalte für ab 12-Jährige unbedenklich sein müssen, die Plattform aber wegen des Datenschutzes bzw. des gesetzten Mindestalters erst von ab 14-Jährigen genutzt werden darf.
Es erscheint aus Gründen des Jugendmedienschutzes weder erforderlich noch sachgerecht, entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten der Altersstufe „ab 18“ eine AVS-Pflicht (Altersverifikations-Systeme) aufzuerlegen. Die Gleichstellung dieser Art Inhalte mit indizierten Inhalten bzw. „offensichtlich schwer entwicklungsgefährdenden“ Inhalten nach § 4 Abs. 2 Ziffer 3 JMStV scheint sachlich nicht gerechtfertigt und unverhältnismäßig, da hier deutliche Unterschiede im Grad der Gefährdung vorliegen. Im JmStV-E wird an keiner Stelle klargestellt, dass es nicht zu einer Verpflichtung der aktiven Überprüfung von Drittinhalten durch die Anbieter kommt. Besondere Probleme bereitet der JMStV-E damit denjenigen, die kostenfreie, nichtkommerzielle Inhalte für Kinder und Jugendliche anbieten, wie etwa politische Organisationen oder in der Jugendarbeit engagierte Verbände. Diese müssten ihre Foren und Blogs 24 Stunden täglich auf jugendgefährdende Inhalte hin prüfen oder aber für Minderjährige unzugänglich machen. Eine bisher lediglich durch eine Protokollnotiz erfolgte Klarstellung, dass diese Pflichten lediglich Anbieter jugendgefährdender Inhalte auferlegt werden sollen, ist unzureichend.
Sehr problematisch ist hierbei, dass im JMStV-E eine Bußgeldbewehrung für die Verbreitung von Angeboten vorgesehen ist, die auf Kinder und Jugendliche aller Altersstufen entwicklungsbeeinträchtigend wirken können und bei denen der Anbieter nicht sicherstellt, dass sie nur Erwachsenen zugänglich sind. Diese Vorschrift widerspricht der momentan vorgesehenen Systematik des § 5 JMStV-E, nach der Anbieter von entwicklungsbeeinträchtigenden Angeboten lediglich für eine Wahrnehmungserschwerung Sorge tragen müssen.
Angesichts der dargestellten schwerwiegenden Defizite sind die FDP-Landtagsfraktionen aufgerufen, die Novellierung des JMStV in der vorliegenden Fassung zu verhindern.

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